+++ to secure your transactions use the Bitcoin Mixer Service +++

 

[Alt + 1] zur Startseite [Alt + 2] zum Seitenanfang [Alt + 3] zur allgemeinen Navigation [Alt + 4] zur Hauptnavigation [Alt + 5] zum Inhalt [Alt + 6] zu Tipps, Hinweise und Kurzinfos [Alt + 7] zur Suche [Alt + 8] zum Login von MyNZZ [Alt + 9] zur Fusszeile
.
  • 1. März 2007, Neue Zürcher Zeitung

    Bruderzwiste im Haus des Islam

    Bruderzwiste im Haus des Islam

    Wie reagiert die arabische Welt auf die innerislamischen Konflikte?

    Toolbox
    Druckansicht
    Im Irak fordert der Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten zahllose Opfer, die innerpalästinensischen Spannungen führten Anfang Jahr zur Krise, Libanon verharrt in einem angespannten Patt: Ist die viel beschworene Gemeinschaft der arabischen «Umma» am Ende?

    Vom 20. bis zum 22. Januar fand in Ad-Dauha, der Hauptstadt des Emirats Katar, ein Kongress statt, der 200 Akademiker und Intellektuelle aus 44 muslimischen Ländern zusammenführte; Ziel der «Doha Conference for the Dialogue of Islamic Schools of Thought» war es, die wachsende Kluft zwischen Sunniten und Schiiten zu überbrücken. Es erstaunt nicht, dass die Initiative von einem der Golfstaaten ausging, sind diese doch eine Art Pufferzone zwischen den mehrheitlich sunnitischen arabischen Ländern und dem mehrheitlich schiitischen Iran; eine Zone, in der die beiden Religionsgemeinschaften - selten ganz reibungsfrei - zusammenleben: So sind zwei Drittel der Bevölkerung von Bahrain und ein Drittel der Kuwaiter Schiiten.

    Konfessionelle Säuberungen

    Die Dringlichkeit des Themas stand ausser Frage. Ende 2006 hatten die gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Sunniten und Schiiten im Irak einen neuen Höhepunkt erreicht, und man befürchtete eine Ausweitung des Konflikts über die gesamte Region. Entsprechend insistent beschwor man in Ad-Dauha die «Umma», die weltweite Einheit der Muslime, und verurteilte die «sektiererischen Kämpfe», die den Irak zu zerreissen drohen. Allerdings wurde diese Fassade der Einigkeit von ätzenden Stellungnahmen perforiert, wobei sich insbesondere Yussuf al-Qaradawi, der in der ganzen arabischen Welt einflussreiche Fernsehprediger von al-Jazira, hervortat. Mit heftigen Worten klagte er Iran an, den bewaffneten Kampf im Irak zu unterstützen und durch Wühlarbeit in Ägypten sunnitische Gläubige zum Schiismus bekehren zu wollen.

    Es ist bekannt, dass im Irak schiitische Milizen - mit oder ohne Unterstützung durch die unter schiitischer Führung stehende Armee - die Attacken sunnitischer Aufständischer mittlerweile mit gleicher Münze heimzahlen: Bombenattentate, die möglichst viele zivile Opfer fordern sollen, Entführungen, Folter, gezielte Mordanschläge, Massaker. Den Auftakt dazu gab vor zwei Jahren der im vergangenen Juni getötete Kaida-Führer Abu Mussab az-Zarkawi, als er zur Ausrottung aller Schiiten aufrief und auch nicht zögerte, ihre Heiligtümer ins Visier zu nehmen. Die von beiden Seiten betriebene Taktik der «konfessionellen Säuberung» hat Bagdad mittlerweile zu einer fast durchweg in homogen schiitische oder sunnitische Quartiere aufgeteilten Stadt werden lassen - ohne dass der interkonfessionelle Konflikt damit ausgestanden wäre. Der Traum von einem freien und geeinten Irak ist zerschellt.

    Vom Nachbarland Saudiarabien aus gesehen scheint die Situation im Irak so explosiv, dass die Regierung schon im vergangenen November auf das Recht zur Intervention pochte, falls die «schiitische Gefahr» sich konkretisieren sollte. Man weiss allerdings auch, dass die saudisch-irakische Grenze nach 2003 nicht minder durchlässig war als die syrische - und mit gutem Grund: Die Saudis liessen ihre Extremisten noch so gern durchschlüpfen, damit sie auf fremdem Boden gegen die verhassten Schiiten kämpfen konnten.

    Saudiarabiens Ängste wurden letztes Jahr durch den symbolischen «Sieg» des libanesischen Hizbullah im Krieg mit Israel weiter genährt. Libanon, das man zu Lebzeiten des Anfang 2005 ermordeten Präsidenten Hariri noch zu den befreundeten arabischen Staaten hatte rechnen können, drohte nun ein weiterer Stein im iranischen Dominospiel zu werden, und auch das von Alawiten - einer eher dem Schiismus zugerechneten Gruppierung - beherrschte Syrien gilt mittlerweile als Vorposten Irans. Die saudische Furcht vor einem «schiitischen Halbmond» lässt nicht unbedingt auf eine bevorstehende Verbrüderung zwischen den islamischen Glaubensgemeinschaften schliessen.

    In Kairo dagegen scheint der innerirakische Konflikt fast unverständlich zu sein. Wie sonst wäre es zu erklären, dass die ägyptische Presse erst nach den entsetzlichen Massakern im vergangenen November so weit war, den interkonfessionellen Bürgerkrieg als solchen zu bezeichnen? Zuvor hatte man sich darauf beschränkt, die irakischen «Glaubensbrüder», zwischen denen fremde Mächte - die USA und Iran - Zwist gesät hatten, zur Einigkeit zu mahnen. Dieses Wahrnehmungsdefizit könnte darauf zurückzuführen sein, dass die multikonfessionelle und multiethnische Bevölkerungsstruktur des Mittleren Ostens den Ägyptern weitgehend fremd ist; in ihrem eigenen Land existiert mit den christlichen Kopten nur eine einzige wahrnehmbare Minderheit.

    Ratlosigkeit

    Die arabische Presse steht dem sunnitisch-schiitischen Konflikt weitgehend paralysiert gegenüber. Ziemlich ratlos versucht die Libanesin Dalal Bizri in der überregionalen Tageszeitung «Al-Hayat» die Mechanik des Hasses zu analysieren, die auf den vierzehnhundert Jahre alten Streit um die Nachfolge des Propheten zurückgeht. Aber ihre Erklärung bringt einen nicht viel weiter: Weil die Parteien, so ihre Behauptung, nun von religiösen Kräften dominiert seien, nähre sich ihre Ideologie aus dem Dogma. Das trifft zwar in gewissem Mass zu: Die Schiiten - nicht zuletzt der iranische Präsident Ahmadinejad - beschwören die Wiederkehr des Mahdi, des in die Verborgenheit entrückten zwölften Imams, dessen Rückkunft das Ende der Zeiten ankündigt; auf dem Internet beschimpfen Sunniten den von den Schiiten verehrten Märtyrer Hussein, der im Jahr 680 in der Schlacht von Kerbala fiel, während die Schiiten ihrerseits den Kalifen Yazid, den Sieger von Kerbala, mit Schmähungen eindecken; und in Ad- Dauha verkündete al-Qaradawi feierlich, dass er denjenigen den Gruss verweigere, welche «die Gefährten des Propheten beleidigten».

    Ob man darin nun eine Absurdität oder eine Renaissance des Glaubens sehen will - die Symbole und Begriffe der Religion werden bereitwillig den unterschiedlichsten Phänomenen übergestülpt, ohne dass man sich die Mühe nimmt, nach den eigentlichen Ursachen der Probleme zu fragen. Mittlerweile wirft man der palästinensischen Hamas allen Ernstes vor, sie sei «schiitisch» geworden.

    Geist aus der Flasche

    Für Amr Mussa, den Generalsekretär der Arabischen Liga, sind es die Amerikaner, die den bösen Geist aus der Flasche befreit haben - was allerdings impliziert, dass dieser böse Geist zuvor schon existierte. Und bedeutet eine solche Haltung nicht eine Rechtfertigung a posteriori für Saddam Husseins Gewaltherrschaft - und all die autoritären arabischen Regime, die sich weiterhin um die persönliche und politische Freiheit ihrer Untergebenen foutieren? Dabei geht auch vergessen, dass solche Einheitsregime niemals die religiösen, ethnischen oder durch Clanstrukturen bedingten Konfliktpotenziale in ihren Gesellschaften dauerhaft gebunden haben; ganz im Gegenteil wurden diese sogar eifrig genutzt, um die Vormachtstellung des Staatsapparats zu rechtfertigen und sich so die Kontrolle über den materiellen Reichtum des Landes zu sichern.

    Wenn sich die arabische Welt heute mit dem sunnitisch-schiitischen Konflikt derart schwer tut, dann deshalb, weil er die letzte Bastion ihrer Ideologie erschüttert: die Einheit der arabischen «Umma», der muslimischen Glaubensgemeinschaft, in deren Namen man gegen Kurden oder libanesische Christen vorging, derweil man über die eigene konfessionelle Heterogenität diskret hinwegsah. Dank dieser Fiktion liess sich auch die Pluralität der Interessen negieren, die wiederum eine Demokratisierung der politischen und gesellschaftlichen Strukturen erforderlich gemacht hätte. Die arabischen Kommentatoren sind äusserst beunruhigt, die Palästinenser und die Muslime im Irak und in Libanon zerstritten zu sehen. Sie würden sich besser mit der Frage befassen, ob Interessenkonflikte nicht auf eine andere Art als durch Bürgerkriege und den Wunsch nach totaler Auslöschung des Anderen zu bewältigen wären.

    François Zabbal

    François Zabbal ist Chefredaktor der vom Pariser Institut du Monde Arabe herausgegebenen Kulturzeitschrift «Qantara».

    Aus dem Französischen von as.

    .
    Leserkommentare ein- und ausblenden Leser-Kommentare: 0 Beiträge
    .
    Um selbst einen Leser-Kommentar abgeben zu können, müssen Sie sich hier anmelden. Diese Funktion ist an Wochenenden und Feiertagen gesperrt. Bitte beachten Sie die für Leser-Kommentare geltenden Richtlinien und Copyright-Bestimmungen.
[Alt + 9] zum Seitenanfang