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Uckermark wird ausgeknipst

Auf einen Schlag schalten sich die Befeuerungen aller Windräder an. Verlässt der Helikopter den betreffenden Raum, wird es wieder dunkel am Himmel.
Auf einen Schlag schalten sich die Befeuerungen aller Windräder an. Verlässt der Helikopter den betreffenden Raum, wird es wieder dunkel am Himmel. © Foto: Enertrag
Oliver Schwers / 15.12.2016, 08:00 Uhr
Dauerthal (MOZ) Nach 17 Jahren soll es nachts wieder finster werden. Die weithin blinkenden roten Laternen der Windrad-Riesen werden abgeschaltet. Enertrag lässt für alle Anbieter ein System zur Radarüberwachung installieren. Nähert sich ein Flugobjekt, gehen die Lampen sofort an.

Die Nachricht wird sich bei Anwohnern, Windkraftgegnern und Bürgerinitiativen wie ein Lauffeuer verbreiten: Das nächtliche Dauerblinken in der Landschaft hat ein Ende. Die als Windrad-Disko verschrieene Befeuerung der hohen Stromtürme bleibt künftig dunkel. Damit verschwindet einer der am meisten kritisierten Makel der Windenergie.

Mit ihrem Vorstoß betritt die uckermärkische Firma Enertrag aus Dauerthal technisches Neuland. Schon lange knobelt das Unternehmen an neuen Ideen, um die Akzeptanz für die von vielen Menschen als störend betrachteten Riesen-Maschinen zu erhöhen. Doch aufgrund ihrer Höhe müssen mögliche Hindernisse für die Luftfahrt in der Nacht weithin sichtbar gekennzeichnet sein. Vor allem das Blinken sorgt bei vielen Nachtschwärmern für immer neuen Unmut.

Nun hat Enertrag die Lösung gefunden: Anstelle des bisher favorisierten An- und Abschaltens einzelner Anlagen lässt das Unternehmen zwei Radarschirme über der Uckermark installieren. Es funktioniert nach dem gleichen Prinzip wie die Flugsicherung. Bei Eintritt eines Flugobjekts in den Radarbereich reagiert die Überwachung. Sofort werden alle Windräder der Uckermark auf einen Schlag angeschaltet. Verschwindet das Flugzeug vom Schirm, hört das Geblinke wieder auf. Das Ganze dürfte bisher einmalig in der Branche sein.

"Es ist die richtige Zeit und der richtige Ort für unser Projekt des ungestörten Nachthimmels", so Jörg Müller, Vorstandsvorsitzender von Enertrag. Es soll zuerst in der Uckermark in Betrieb gehen und dann in ganz Europa eingesetzt werden. Die Uckermark, die mit dem neuen Regionalplan den Windkraftausbau weiter stark unterstütze, habe es verdient, hier ganz von vorn zu sein, so Müller.

Zuvor waren enorme technische, rechtliche und wirtschaftliche Hindernisse zu beseitigen. Denn es gibt zahlreiche Betreiber von Windfeldern, unterschiedliche Eigentümer und verschiedenere Techniken. Enertrag will die beiden Radarsysteme mit einem Durchmesser von jeweils 11 und 18 Kilometern für alle Betreiber anbieten. Die bisher geführten Gespräche würden ein hohes Maß an Bereitschaft zeigen. Je mehr sich daran beteiligen, desto besser verteilen sich die Kosten.

Nach bisherigen Berechnungen von Enertrag würden 90 Prozent aller Uckermark-Windräder unter das Überwachungsfeld fallen. Man wolle alle Wettbewerber begeistern. Schon im dritten Quartal des nächsten Jahres könnten die Befeuerungsanlagen abgeschaltet werden.

Landrat Dietmar Schulze bestätigt, dass die Baugenehmigungen für die zwei neu zu errichtenden Radartürme laufen. Sie schirmen im 360-Grad-Winkel den Großteil des Landkreises ab.

"Ich freue mich, dass die Windbranche in der Uckermark sich hier zusammentun will, um das übergeordnete Ziel der Akzeptanzsteigerung zu beackern", so Dietmar Schulze. "Wir können als Region damit erneut Vorreiter sein. Bereits heute zählen wir zu den energieexportstärksten Regionen in Ostdeutschland. Mit dem weiteren Ausbau kehrt nun der ungestörte Nachthimmel zu uns zurück."

Doch mit dem Projekt sind Kosten verbunden. Über genaue Zahlen will Enertrag nicht sprechen. Zunächst müssen alle Windfelder einzeln betrachtet werden, um die technischen Voraussetzungen zu ermitteln. Das Radarsystem stammt aus Dänemark. Die Abschaltung der nächtlichen Befeuerung ist derzeit noch freiwillig. Das bestätigt der SPD-Bundestagsabgeordnete Stefan Zierke. Seit 2014 beschäftige man sich mit einer Regelung zur bedarfsgesteuerten Nachtkennzeichnung der Anlagen. "Es muss deutschlandweit geregelt sein", so Zierke. Er wolle sich dafür einsetzen.

Dahinter steckt die Gefahr, dass Enertrag mit dem neuen Radarsystem zwar mehr Akzeptanz in der Bevölkerung bekommt, aber beim künftigen Neubau von Windfeldern ins Hintertreffen gerät. Das liegt an der neuen Ausschreibepraxis für erneuerbare Energien. Der mit den geringsten Kosten bekommt den Zuschlag. Wer also auf die Nachtabschaltung pfeift und Geld spart, wäre damit klar im Vorteil. "Unter zukünftigen harten Ausschreibungsbedingungen für neue Windkraftanlagen braucht es dringend bundesweit einheitliche Regelungen für das Abschalten des nächtlichen Blinkens", so Gunar Hering, Vorstand Projektentwicklung und Finanzen bei Enertrag. "Möge unser Projekt dieser von uns immer wieder geforderten landesweit einheitlichen Regelung zum Durchbruch verhelfen. Was hier funktioniert, kann ein Exportschlager für ganz Deutschland sein."

Praktisch wäre die Neugenehmigung von Windkraftanlagen oder der Ersatz bestehender Strommühlen schon in der Antragstellung mit einem solchen System zu koppeln.

Doch als brandenburgisches Unternehmen sieht Enertrag weitere Nachteile im Vergleich mit anderen Bundesländern. Die hier geltende scharfe Baugesetzgebung, Anforderungen zur Beteiligung von Kommunen oder die unterschiedliche Umweltgesetzgebung in den Ländern würden nicht dazu beitragen, dass bei Ausschreibungsverfahren der beste Entwickler gewinnt. Stattdessen würden diejenigen die Nase vorn haben, bei denen die laxesten Bestimmungen gelten. "Auch wir sind dabei uns zu überlegen, wo man was künftig umsetzen kann", so Gunar Hering mit Blick auf künftige Investitionen.

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