Historikerin Anja Siegemund wechselt von Jerusalem nach Berlin

Hermann Simon, der langjährige Direktor der Stiftung „Neue Synagoge Berlin – Centrum Judaicum“, geht in den Ruhestand. Seine Nachfolgerin Anja Siegemund, die am Montag vom Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) und dem Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Gideon Joffe, im Roten Rathaus vorgestellt wurde, wird er aber noch einarbeiten. „Das ist doch selbstverständlich“, sagte er.

Simon, der auf 27 Jahre am Centrum Judaicum zurückblickt, ist es zu verdanken, dass die Neue Synagoge in Mitte ab 1988 wieder aufgebaut wurde. Der Verband der jüdischen Gemeinden in der DDR hätte das damals mit dem Magistrat vereinbart. „Und besonders der Besuch von Heinz Galinski bei Erich Honecker kurz vorher hat dazu beigetragen, dass es überhaupt möglich wurde“, erinnerte sich der Historiker, für den das Zentrum eine Lebensaufgabe wurde. Aus der brachliegenden Ruine entstand bis zur Wiedereröffnung 1995 der nach historischem Vorbild rekonstruierte heutige Gebäudekomplex an der Oranienburger Straße in Mitte.

„Spannende Herausforderung“

Müller würdigte die 48 Jahre alte Siegemund als „ausgewiesene Kennerin der jüdischen Geschichte“. Die Historikerin sprach von einer „spannenden Herausforderung“. Sie wisse, dass sie in „sehr große Fußstapfen“ trete und freue sich über das in sie gesetzte Vertrauen. Gereizt habe sie vor allem die Kombination der unterschiedlichen Aufgaben, zu der Kulturvermittlung, Archiv, Forschung, Publikation gehörten. Gut sei auch, dass das Haus nicht so groß sei. Das Team besteht aus 13 Mitarbeitern. Siegemund will „an die positive Arbeit anknüpfen“, aber auch neue Ideen umsetzen. Beispielsweise möchte sie einen wissenschaftlichen Beirat ins Leben rufen, der über künftige Inhalte berät. Auch ein Kuratorium, das die Arbeit unterstützt, kann sie sich vorstellen.

Neben einer Dauerschau betreibt das Zentrum Wechselausstellungen und beherbergt ein Archiv zur jüdischen Geschichte in Berlin. Einige ihrer Ideen seien natürlich von den Finanzen abhängig, aber finanzielle Schwierigkeiten schreckten sie nicht ab, die kenne sie schließlich auch aus Israel, sagte sie. Dort habe sie gelernt, aus wenig etwas zu machen.

Berlin sei von 1999 bis 2002 schon einmal für einige Jahre ihre „Wahlheimat“ gewesen. Die aus Seefeld (Oberbayern) stammende Siegemund hatte zuletzt sechs Jahre das Leo-Baeck-Institut in Jerusalem geleitet. Zuvor arbeitete sie an der Universität Haifa. Dem Studium der Geschichte, Literatur und Politik in München und Münster folgten Forschungsaufenthalte in Israel und eine Promotion zur jüdischen Kultur und Geschichte an der Münchener Ludwig-Maximilians-Universität.

Zuschuss wird erhöht

Das Centrum Judaicum ist eine gemeinsame Einrichtung der jüdischen Gemeinde und des Landes Berlin sowie zugleich Sitz der jüdischen Gemeinde. Müller kündigte an, dass das Land Berlin seinen Zuschuss für die Einrichtung ab kommendem Jahr um 100.000 Euro auf 520.000 Euro erhöhen werde. Der Gesamtetat beträgt rund drei Millionen Euro. Der Vorstandsvorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Gideon Joffe, äußerte den Wunsch, dass künftig mehr Berliner Schulklassen das Kultur- und Ausstellungshaus besuchen. Die derzeit rund 130.000 Gäste seien zumeist Touristen. Im Centrum Judaicum könnten den Schülern auch die positiven, lebensbejahenden Aspekte des Judentums nähergebracht werden.

Eingeweiht worden war die Neue Synagoge im Jahr 1866, mit 3200 Plätzen damals das größte jüdische Gotteshaus in Deutschland. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Synagoge inklusive der mit vergoldeten Rippen überzogenen mehr als 50 Meter hohen Kuppel von Bomben schwer beschädigt. 1958 war der Synagogenraum gesprengt worden.