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Artikel 74 / 118

SÜDAFRIKA »Sammelbüchse der Welt«

Wirtschaftswissenschaftler Themba Sono über das süße Gift Entwicklungshilfe sowie die Unfähigkeit der politischen Klasse Afrikas, ihre Länder aus der Wirtschaftsmisere herauszuführen und ihre Gesellschaften zu entwickeln
Von Hans Hoyng und Thilo Thielke
aus DER SPIEGEL 43/2005

Sono, 63, war nach dem Ende seines Wirtschaftsstudiums in den USA Direktor des liberalen Instituts für Rassenbeziehungen. Er lehrt an der Universität von Pretoria und ist Abgeordneter für die oppositionelle Allianz Freier Demokraten.

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SPIEGEL: Die Weltbank hat soeben ihren jährlichen Geschäftsklima-Index herausgegeben. Unter den 25 Staaten mit den schlechtesten Geschäftsbedingungen weltweit waren 20 afrikanische Staaten aufgeführt. Wo immer Sie hinsehen in Wirtschaft und Politik - auf jeder Ranking-Liste belegen afrikanische Staaten die letzten Plätze. Warum ändert sich da nichts?

Sono: Weil es in Afrika seit Kolonialzeiten keinen grundlegenden Wandel gegeben hat. Die Regierungen in Afrika müssen endlich die Realität akzeptieren, dass nicht sie selbst das höchste Gut und das höchste Ziel ihrer Gesellschaften sind. Unsere Regierungen weigern sich, endlich die Energien des Privatsektors freizusetzen, sie bevorzugen es, immer noch den Big Daddy zu spielen. Sicher ist: Unsere Bürokraten können Wirtschaft und Politik gar nicht wirksam umformen, wenn sie nicht bereit sind, etwas von ihrer Macht abzugeben.

SPIEGEL: Es ist noch gar nicht so lange her, da beherrschten Schlagwörter wie Afrikanische Renaissance die Debatte. Alles nur Gerede?

Sono: Das war eine Erfindung des südafrikanischen Staatschefs Thabo Mbeki, der sich andere Staatschefs angeschlossen haben, ohne die geringste Absicht, diese Renaissance auch Wirklichkeit werden zu lassen. Afrika leidet darunter, dass sich seine Führer für nichts anderes interessieren als für ihre Macht. Sehen Sie sich mal unser Nachbarland Simbabwe an. Seit 25 Jahren ist Robert Mugabe dort damit beschäftigt, sein Reich herunterzuwirtschaften. Jetzt ist er über 80 und ändert immer noch die Verfassung, um auch weiterhin an der Macht zu bleiben.

SPIEGEL: Wie kann man ihn denn loswerden? Kaum jemand bestreitet, dass das Regime korrupt ist und die Leute hungern.

Sono: Aber niemand zieht Konsequenzen. Gerade erst fand dort eine Uno-Konferenz statt, die einen Aktionsplan zur Versorgungssicherheit beschließen sollte. In einem Land, in dem vier Millionen Menschen hungern. Und die afrikanischen Länder schauen einfach zu, statt Mugabe zu sagen: Du vernichtest dein eigenes Volk.

SPIEGEL: Vielleicht ist Mugabe ja beliebter, als wir Europäer uns das vorstellen möchten. Vielleicht gilt er ja vielen Afrikanern als Held, der nicht vor dem Westen kuscht.

Sono: Solches Lob ist die pure Heuchelei. Natürlich gibt es in Sambia, Namibia und auch in Südafrika viele, die Mugabe dafür rühmen, dass er keine Marionette des Westens ist. Aber das sind eben nicht dieselben, die in Simbabwe die Knute Mugabes zu spüren bekommen - wie etwa jene armen Frauen, deren Hütten er mitten im Winter hat niederwalzen lassen und die er dann irgendwo aussetzen ließ, ohne Nahrung, ohne Elektrizität, ohne Wasser. Die Leute leiden dort, und dafür sollen sie den Kolonialismus bekämpft haben?

SPIEGEL: Was empfehlen Sie denn? Wie wird der afrikanische Kontinent seine Mugabes los?

Sono: Eine Zeit lang haben wir auf die AU, die Afrikanische Union, gehofft. Im Rahmen von Nepad, der Neuen Partnerschaft für die Entwicklung Afrikas, war verabredet worden, dass die Regierungen sich gegenseitig auf die Finger sehen. Ein solcher Prozess gegenseitiger Kontrolle hätte es vielleicht möglich gemacht, jemanden in die Wüste zu schicken. Aber ich befürchte jetzt, dass die AU die alte Politik der Nicht- einmischung einfach weiterbefolgt. Deshalb müssen wir die AU reformieren. Es

muss einen Mechanismus geben, mit dessen Hilfe wir eine Regierung isolieren und zu Fall bringen können, wenn sie sich gegen ihr eigenes Volk richtet.

SPIEGEL: Afrikas Big Daddys haben zahlungskräftige Verbündete überall auf der Welt und bei den Vereinten Nationen. Die versuchen, die Misere mit Entwicklungshilfe zu bekämpfen.

Sono: Hilfe ist ein falscher Ausdruck. Was bedeutet Hilfe denn wirklich für Afrika? Man könnte genauso gut das ganze Geld in ein Schwarzes Loch schaufeln. In Wahrheit ist Hilfe das Letzte, was Afrika braucht. Die Regierungen haben doch gar nicht die Kapazitäten, um mit dieser Hilfe richtig umzugehen, und das meiste reißen sich korrupte Elemente sowieso unter den Nagel. Viel dringlicher benötigt Afrika den Aufbau einer vernünftigen Infrastruktur für den Handel. Sehen Sie sich doch mal in Ländern um, die noch immer kommunistisch regiert werden wie etwa Vietnam. Dort hat man dirigistische Kontrollen aufgehoben und es den Leuten überlassen, ihre Wirtschaftsaktivitäten selbst zu gestalten. Man hat sie Unternehmer sein lassen. Das ist genau das, was Afrika braucht.

SPIEGEL: Gleichwohl ertönt überall der Ruf nach mehr Entwicklungshilfe und zwar nicht nur bei den Empfängerstaaten, sondern beispielsweise auch beim G-8-Gipfel.

Sono: Das ist eine Bankrotterklärung der Politik. Mehr Hilfe verstärkt allenfalls das Chaos. Die afrikanischen Länder haben bisher stets eine Politik der Sammelbüchse betrieben und immer nur gebettelt: mehr Hilfe, mehr Hilfe, mehr Hilfe. Genau das muss sich ändern, kann sich aber nicht ändern, solange die großen Länder selbst die Bedeutung der Entwicklungshilfe betonen. Ein Land wie Deutschland sollte sich sagen: Wir wollen mit afrikanischen Ländern lieber Handel treiben, genau wie mit allen anderen. Dafür müssen afrikanische Länder aber auch eine Unternehmenskultur entwickeln. Wenn schon Hilfe, dann solche, die an Bedingungen geknüpft ist und die eine Kultur fördert, damit die Afrikaner endlich auf eigene Rechnung Handel treiben können. Was hat denn Länder wie Deutschland stark gemacht?

SPIEGEL: Nach dem Zweiten Weltkrieg war das eben auch der Marshall-Plan, eine Art Entwicklungshilfe.

Sono: Aber eine, die auf die Entwicklung der Wirtschaft und des Handels ausgerichtet war, und das ist bei der Hilfe für Afrika nicht der Fall. Solange sich da nichts ändert, wird Afrika die Sammelbüchse der Welt bleiben, und wir werden zu Opfern einer Hilfe, die uns rekolonialisiert, weil wir auch weiterhin nichts haben werden.

SPIEGEL: Gibt der Westen Entwicklungshilfe nicht auch, weil seine Länder sich vor einer Welle von Einwanderern fürchten?

Sono: Wenn den afrikanischen Völkern nicht geholfen wird, sich selbst zu helfen, werden sie auf Europas Arbeitsmärkte strömen wie die Lateinamerikaner in die USA. Selbsthilfeprogramme sind lebensnotwendig.

SPIEGEL: Beim jüngsten Gipfeltreffen der G 8 in Gleneagles wurden den ärmsten afrikanischen Staaten die Schulden erlassen. Einige bedankten sich, indem sie postwendend Nachbarn bedrohten oder die Opposition im eigenen Land drangsalierten. War der Schuldenerlass falsch?

Sono: Schuldenerlass ist eine ziemlich einfache moralische Geste des Westens. Sie soll sagen: Seht mal her, wie gut wir sind und wie wir den armen Ländern helfen. Ein solcher Schuldenerlass sollte aber an bestimmte Bedingungen geknüpft werden. Der Westen müsste sagen: Wenn wir das machen, wollen wir auch bis zum Soundsovielten erstens, zweitens und drittens erfüllt sehen. Wenn nicht, werden die Schulden nicht erlassen.

SPIEGEL: Solche Bedingungen werden doch gestellt.

Sono: Aber längst nicht ausreichend.

SPIEGEL: Sind die Afrikaner zu duldsam mit ihren politischen Führern?

Sono: Wer immer afrikanische Regierungen kritisiert, muss sich vorwerfen lassen, er sei ein Freund von George Bush oder Tony Blair. Dann denken die Leute: Wir müssen unsere eigenen Führer unterstützen. Selbst dann, wenn sie so einen Unsinn anstellen wie in Simbabwe. Das ist die Klemme, in der wir uns befinden: Diejenigen, die die Mittel haben, die afrikanische Mentalität zu verändern - und das sind zunächst die Regierungen -, wollen sie nicht verändern. Und die, die sie verändern wollen, haben nicht die Mittel dazu.

SPIEGEL: Das ist ein ziemlich düsterer Ausblick in Afrikas Zukunft ...

Sono: ... stimmt, es ist frustrierend.

SPIEGEL: Also, was tun?

Sono: Wir müssen mit einfachen, beinahe biblischen Grundsätzen anfangen. Wir müssen Autarkie entwickeln. Bei der Lebensmittelproduktion ist Afrika immer noch nicht autark. Die europäische Entwicklungspolitik war lange Zeit die Ursache des Problems. Europäer haben sich gegenüber Afrika stets sehr patriarchalisch aufgeführt. Sie haben Afrika immer wie ein Baby behandelt. Und wenn man jemanden lange genug als Baby behandelt, dann glaubt er auch, dass er ein Baby ist und wird abhängig von Hilfe.

SPIEGEL: Warum treiben afrikanische Länder untereinander so wenig Handel?

Sono: Es ist notwendig, dass wir diesen Handel kräftig ausweiten. Das kann aber nicht geschehen, solange grundlegende Voraussetzungen nicht gegeben sind, etwa in den Bereichen Transport und Kommunikation. Es ist billiger, von Johannesburg nach Deutschland zu fliegen als von Johannesburg in den Senegal. Unsere Regierungen haben das Problem zwar erkannt, aber sie reden und reden und tun nichts.

SPIEGEL: Den Medien wird häufig vorgeworfen, zu negativ über Afrika zu berichten. Glauben Sie, dass sich die Lage in Afrika insgesamt eher verbessert oder dass sie immer schlimmer wird?

Sono: In einigen Gegenden wird sie schlimmer, in anderen wird sie besser. Staaten wie Botswana sind sicher auf dem richtigen Weg. Aber wenn Sie an Liberia, wo jetzt endlich Wahlen waren, oder an Sierra Leone denken, dort kann es ja gar nicht schlechter werden, dort kann sich die Situation nur verbessern. Ich befürchte allerdings, in Simbabwe wird es eher noch schlimmer werden, bevor sich eine Besserung abzeichnet. INTERVIEW: HANS HOYNG,

THILO THIELKE

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