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Zum Windrad, Genossen!

Eine Beteiligung an Windkraftanlagen wird bei Hausbesitzern immer beliebter

Die Dividendenzahlungen der neuen Genossenschaften sind hoch und helfen über Wertverluste benachbarter Immobilien hinweg

Für den Schwertransport sind gleich zehn Fahrzeuge nötig. Zentimetergenau zirkeln die Fahrer die mit 46 Meter langen Rotorblättern und stählernen Rohren beladenen Tieflader durch die engen Straßen des hessischen Frankenhausen. Penible Maßarbeit für den ersten Windpark der Energiegenossenschaft Odenwald. Fünf Mio. Kilowattstunden sollen die beiden Turbinen auf der Neutscher Höhe pro Jahr produzieren. "1200 Haushalte können wir mit sauberen Strom versorgen", sagt Vorstandssprecher Christian Breunig.

Bislang wurde fast überall in Deutschland sogleich eine Bürgerinitiative gegründet, wenn auch der Plan für einen Windpark an die Öffentlichkeit kam. Vor allem Eigenheimbesitzer machen gegen die Rotoren mobil. Sie fürchten Wertverluste bei ihren Häusern und Grundstücken durch Lärm und Schattenwurf. "Überall, wo Windräder errichtet werden, kommt es zu mehr oder weniger großen Wertminderungen beim Grundbesitz", warnt etwa die Bürgerinitiative Gegenwind im baden-württembergischen Besigheim auf ihrer Internetseite.

Im Odenwald hingegen gibt es keine Proteste. Im Gegenteil: Die Menschen in der Region wollen mit dabei sein. Mehr als 800 Mitglieder zählt die vor zwei Jahren gegründete Genossenschaft bereits. Bis zu 10 000 Euro an Einlage hat jeder eingezahlt - und viele weitere wollen mitmachen. "2013 werden es wohl an die 2000 Mitglieder sein", sagt Breunig. Was die Menschen begeistert, ist nicht nur die Aussicht, durch ihre Investition in eine Energiegewinnung ohne Kohlendioxidemissionen zum Klimaschutz beizutragen. Die Beteiligung an der Energiegenossenschaft zahlt sich für sie in barer Münze aus: 3,2 Prozent beträgt die jährliche Dividende, die Mitglieder für ihre Einlage erhalten. Das ist mehr als ein Sparbuch oder eine zehnjährige Bundesanleihe abwerfen. Ähnlich hohe Renditen erwirtschaften auch andere Energiegenossenschaften.

Seit die Menschen erkannt haben, dass sie an der Stromgewinnung durch Solar- und Windkraftanlagen verdienen können, schließen sich bundesweit immer mehr Bürger zusammen, um gemeinsam regenerativen gewonnene Elektrizität zu erzeugen. Michael Stappel, Volkswirt der DZ Bank, dem Zentralinstitut der Genossenschaftsbanken, spricht von einem "Gründungsboom". Allein in der ersten Hälfte des vergangenen Jahres wurden bundesweit 172 neue Genossenschaften gegründet - ein Plus von 28,4 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. "Insgesamt dürften 2011 mehr als 300 Neugründungen erfolgt sein", sagt Stappel. Etwa jede zweite Genossenschaft verfolge dabei das Ziel, mit regenerativen Energien Strom zu erzeugen und Renditen zu erzielen.

Breunig, der auch Vorstandsassistent der Volksbank Odenwald ist, die zu den Gründungsmitgliedern der dortigen Genossenschaft zählt, spricht von Bürgerbeteiligung im doppelten Sinn: "Die Menschen aus der Region können als Mitglied über die Investitionsentscheidungen der Genossenschaft mit bestimmen - und sie sind auch an deren Erträgen beteiligt."

Bereits jetzt hat die Energiegenossenschaft Odenwald 65 Photovoltaikanlagen auf Dorfgemeinschafts- und Feuerwehrhäusern, auf Kindergärten, Bier- und Reithallen installiert, die kontinuierliche Erträge abwerfen. "Sie liefern genug Strom, um rund 1000 Haushalte zu versorgen und sparen über 5600 Tonnen an Kohlendioxidemissionen pro Jahr ein", rechnet Breunig vor. Mit dem Windpark steigt die Zahl der versorgten Haushalte um 120 Prozent und entsprechend auch das langfristige Ertragspotential. Mit der direkten Bürgerbeteiligung unterscheiden sich die genossenschaftlichen Solar- und Windparks von den bislang errichteten Anlagen. Deren Betreiber, geschlossene Fonds oder Investitionsgesellschaften, erwarben oder pachteten in der Vergangenheit landwirtschaftliche Flächen. "Da verdienten einige wenige Landwirte vor Ort an den Projekten, während alle anderen leer ausgingen", sagt Peter-Georg Wagner, Marktforscher für die Region Nord beim Immobilienverband Deutschland (IVD). Statt an den Erträgen beteiligt zu sein, mussten Anlieger den Schattenwurf und die Geräusche der Windräder ertragen. Das schürte Neid und Missgunst und zerriss die Dorfgemeinschaften. Bei den Projekten der Energiegenossenschaften ist dies anders. "Wer auf ein Windrad oder eine Photovoltaikanlage schaut, soll auch einen Nutzen davon haben", sagt Michael Diestel, Geschäftsführer des Bayerischen Bauernverbands Rhön-Grabfeld und Mitinitiator einer Reihe von Stromerzeugergemeinschaften in Nordbayern. Werden die Menschen an den Entscheidungsprozessen und Erträgen beteiligt, bleiben nicht nur Proteste aus. "Es gibt auch keine Wertverluste bei den Immobilien", sagt IVD-Experte Wagner.

In direkter Nähe zu manchen Windparks sind die Preise von Eigenheimen und Wohnungen vorübergehend eingebrochen, wenn die Vorhaben in der Bevölkerung auf massiven Widerstand stießen. "Proteste können eine selbsterfüllende Prophezeiung auslösen", weiß Professor Philippe Thalmann, Immobilienökonom an der Hochschule von Lausanne in der Schweiz. "Bürgerinitiativen können mit ihrer Warnung von einem Wertverlust der Immobilien den von ihnen befürchteten Preisrückgang erst herbeiführen, weil sie potenzielle Käufer abschrecken", bestätigt Günter Vornholz, Professor für Immobilienökonomie an der EBZ Business School in Bochum.

Dies gelte nicht nur bei Windkraftwerken, sondern auch bei Starkstromleitungen und Versorgungspipelines. "Allerdings fängt sich der Markt wieder, sobald die Anlagen errichtet sind und zum Alltagsbild der Region werden", sagt Vornholz. Das bestätigt eine Studie der Schweizer Beratungsgesellschaft Wüest & Partner, die die Auswirkungen von Atomkraftwerken und -endlagern auf die Entwicklung der Wohnimmobilienpreise in der Region untersucht hat. Danach verlieren Häuser und Wohnungen in der Planungsphase eines Kernkraftwerks oder Atomendlagers nur kurzzeitig an Wert. Sind die Einrichtungen erst einmal in Betrieb, passen sich die Preise wieder dem üblichen Marktniveau an.

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